Wir alle müssen rassistisches Verhalten ansprechen!

Erklärung der SP-Kantonsratsfraktion Verlesen an der Kantonsratssitzung vom 15. Juni 2020

Grosse Berge sind nach grossen Menschen benannt, die unser Land nachhaltig geprägt haben. So auch das Agassizhorn, das nach dem berühmten Zoologen und Gletscherforscher Louis Agassiz benannt wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts gelangte Agassiz mit seinen wissenschaftlichen Beobachtungen der Gletscher zu Weltruhm. Mitte des 19. Jahrhunderts brach der berühmte Schweizer Forscher zu einer Studienreise in die USA auf, wo er zum ersten Mal in seinem Leben einem Schwarzen begegnet ist. Praktisch über Nacht wurde der Schweizer daraufhin zum Rassisten und zu einem der führendsten Verfechter der Rassentrennung in den USA. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die menschliche Rasse einen einzigen gemeinsamen Ursprung hatte. Er schrieb – ich zitiere:

«Ich empfand Mitleid beim Anblick dieser verderbten und entarteten Rasse, und ihr Schicksal erweckte mein Mitgefühl bei dem Gedanken, dass sie wirklich Menschen sind. Trotzdem kann ich das Gefühl nicht unterdrücken, dass sie nicht vom selben Blut sind wie wir. Wenn ich ihre schwarzen Gesichter mit ihren dicken Lippen und grinsenden Zähnen sah, die Wolle auf ihrem Kopf, ihre krummen Knie und langen Hände, ihre langgebogenen Fingernägel und besonders die fahle Farbe ihrer Handflächen, musste ich sie immer anblicken, um ihnen zu bedeuten, mir vom Leibe zu bleiben.»

Heute steht ausser Frage, dass sich der Naturwissenschaftler Agassiz in dieser Frage erheblich getäuscht hat. Trotzdem ist auch bei uns Rassismus keineswegs überwunden. Es ist höchste Zeit, dass wir bei strukturbedingten Diskriminierungen genau hinschauen und uns beherzt für mehr Chancengleichheit von Minderheiten einsetzen. Es genügt schon lange nicht mehr zu postulieren, dass man selber kein Rassist sei.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns in der Schweiz nun endlich mit Rassismus auseinandersetzen. Nach wie vor gibt es auch in unseren Polizeicorps Klagen wegen Racial Profiling. Nach wie vor sind Kinder mit Migrationshintergrund in unseren Schulen benachteiligt. Nach wie vor leben Tausende von Menschen wissentlich in der „Illegalität“ und verdingen sich als Schwarzarbeiter – ich betone: Schwarzarbeiter ihren Lebensunterhalt.

Genauso wichtig wie die Teilnahme an den «Black Lives Matter» Demonstrationen müssen daher auch im Alltag rassistische Verhaltensweisen benannt und verurteilt werden. Sich aktiv gegen Rassismus einzusetzen, heisst auch, sich seiner eigenen Privilegien bewusst zu werden und zu realisieren, dass diese Privilegien auch aufgrund der (weissen) Hautfarbe bestehen.

Konkret heisst das, dass wir alle aufgerufen sind, rassistisches Benehmen aktiv anzusprechen und klarzumachen, dass das in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Das gilt bei abwertenden Äusserungen am Familienfest, während der Kaffeepause im Büro am Stammtisch und natürlich auf der Strasse. Das Benennen von rassistischen Äusserungen kann unangenehm sein – es wiegt aber ungleich weniger schwer als die Folgen von rassistische Äusserungen, Diskriminierungen und Angriffen und das Ausbleiben von solidarischen Reaktionen für die betroffenen Menschen selber.

Auskünfte

  • Andrew Katumba, Kantonsrat SP, 079 336 28 82

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