Festrede am Röntgenplatz

Wir alle haben eines gemeinsam heute Abend: Wir sind sehr gerne hier am Röntgenplatzfest im Kreis 5! Die Gründe dafür sind vielfältig und bei mir zunächst einmal ganz persönlich: So ist meine Grossmutter, die ich sehr verehrt habe, hier aufgewachsen. Und meine Frau hat den Kreis 5 während 12 Jahren im Kantonsrat vertreten.

Über das rein Persönliche hinaus fühle ich mich einfach wohl im Kreis 5. Er ist für mich ein besonderer Ort – der Schmelztiegel der Stadt Zürich. Hier findet auf engstem Raum eine Durchmischung der verschiedensten Kulturen statt. Hier waren und sind Lebensentwürfe möglich, die anderswo mehr Zeit in Anspruch genommen haben, bis sie akzeptiert wurden. Das gefällt allen, die für eine offene, freiheitliche, solidarische Gesellschaft eintreten. Der Kreis 5 ist aber natürlich nicht nur Trendsetter für neue Lebensmodelle, sondern auch eine gute Umgebung für traditionelle Familien.
Die Offenheit, die der Kreis 5 ausstrahlt, schlägt sich auch bei politischen Entscheidungen nieder. Wenn andere Gegenden in diesem Land noch darüber nachdenken, ob sich eine Frage überhaupt irgendwann einmal stellen wird oder nicht, geht der Kreis 5 mutig voran.
Hier ist die Wiege der Schweizerischen Eisenbahnen. Hier hat die erste Eisenbahn der Schweiz, die Spanisch-Brötli-Bahn Zürich-Baden, den Kreis 5 (das Industriequartier) von der damaligen Gemeinde Aussersihl abgetrennt. Die Eisenbahner sind geblieben. Und viele andere Migranten sind ihnen gefolgt.
Es war in Zürich und mit ganz massgeblichem Einfluss der Kreises 5, als die Linke mit Jakob Vogelsanger 1890 ihren ersten Nationalratssitz überhaupt errungen hat.
Es ist hier, wo die Wohngenossenschaftsbewegung immer ausgesprochen stark war und wo sie auch erfolgreich mitgekämpft hat, dass der Röntgenplatz vor über 30 Jahren verkehrsfrei wurde.
Und es ist hier, wo viel mehr als anderswo die Personenfreizügigkeit mit Europa begrüsst wird. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Gegner der Personenfreizügigkeit mit nationalistischen Parolen insbesondere den Osten Europas und die Menschen, die dort leben, zum Hort alles Bösen heraufstilisieren. Und genau so wenig habe ich Verständnis für die Ecopop-Initiative, die dasselbe unter einem grünen Deckmäntelchen bewirken will. Die Berliner Mauer ist seit 1989 weg – zum Glück! In manchen Köpfen ist sie geblieben, leider.
Bei vielen politischen Entscheidungen wünschte man dem Kanton Zürich und dem Rest der Schweiz mehr Kreis 5. Ich halte es deshalb für eine ausgesprochen schlechte Idee, wenn sich die Stadt Zürich und mit ihm auch der Kreis 5 zu einem neuen Halbkanton formieren würden, auch wenn dies selbst linke Politikerinnen immer wieder gefordert haben. Daran können wir alle kein Interesse haben. Wir wollen eine offene und solidarische Gesellschaft in der Stadt Zürich und im ganzen Kanton. Dafür kämpfe ich auch als Regierungsrat. Und das geht nicht ohne die Stadt Zürich und insbesondere ohne den Kreis 5. Bitte bleibt also alle da und verändert den Kanton weiter mit. Es lohnt sich, auch wenn es manchmal vielleicht ein wenig länger dauert als hier im Kreis 5.
Und jetzt freue ich mich auf das Röntgenplatzfest. Dieses Fest vereint ja alle positiven Eigenschaften des Kreises 5 auf engstem Raum. Die Atmosphäre an diesem Anlass ist einmalig, die Stimmung offen, engagiert und herzlich. An einer Veranstaltung für Neumitglieder der SP bin ich einmal gefragt worden, welches der beste Grund sei, in der SP zu politisieren. Ich habe erklärt, dies sei das Röntgenplatzfest. Weil dort linke Politik an einem wunderschönen Fest zelebriert wird. Und wenn sich linke Politik mit Lebensfreude paart, so ist dies eine Kombination, die schlicht unschlagbar ist. Selbstverständlich auch in diesem Jahr. Ich wünsche Euch allen ein schönes Röntgenplatzfest 2014!

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